Es ist ein Spagat! Das erlebe ich selbst und beobachte ich in meinem Umfeld. Der Wunsch, beziehungsorientiert seine Kinder zu begleiten, artet oft in eine Überforderung und Unsicherheit aus. Ich schreibe heute aus Sicht der Erwachsenen zu sich selbst und nicht primär mit dem Blick auf unsere Kinder.
Was meine ich mit Überforderung und Unsicherheit?
Ich denke, dass wir Eltern unsicher werden, bei dem Versuch, Beziehung zu leben. Unsicher, weil wir nicht ganz klar hinter unseren persönlichen Grenzen und Bedürfnissen stehen. Ein beziehungsorientierter Alltag bedeutet für mich, dass wir alle schauen, dass es uns gut geht und wir auch klar mit uns sind.
Wie ich im letzten Beitrag zum Thema Grenzen verbloggt habe, geht es bei dem beziehungsorientierten Weg nicht um ein permanentes Überschreiten der eigenen Grenzen, ob aus Sicht des Kindes oder des Erwachsenen. Es geht um Achtsamkeit mit sich selbst und dem Gegenüber. Mein Kind ist gleichwürdig und hat eigene Bedürfnisse und Grenzen, genauso wie ich sie habe, mein Mann sie hat und alle anderen Menschen sie haben. Niemand hat die Befugnis, über die persönlichen Grenzen des anderen zu gehen, oder!?
Kinder müssen erst lernen die Grenzen anderer Menschen zu wahren. Babys haben diese Grenzen noch nicht. Eine Mutter, die immer über ihre eigenen Grenzen geht, hilft aber niemanden! Alles vom Kind entschieden lassen? Einfach weg sehen, weil die Mama nicht weiß, was zu tun ist? Keine Lösung für ein Problem zu haben? Keine Klarheit in sich zu spüren?
Findet ihr hart formuliert?
Ist es auch! Es ist hart für uns, unsere eigenen Grenzen an den Geist des Attachment Parentings zu verkaufen. Die eigene Beziehung zu sich selbst zu verhökern, für einen Gedanken, der einfach oft falsch verstanden wird.
Ich hatte erste Tendenzen so zu werden, bis mir meine Freundin den Spiegel vorgehalten hat. Ich habe mich in meinen Gedanken etwas zurück gezogen und fühle mich nun wieder gestärkt. Ich bin in der Befugnis als Elternteil, für mich zu sorgen und mein Stopp zu setzen, wenn meine Grenze erreicht ist.
Wie setze ich denn ein Stopp?
Zu allererst ist es wichtig, dass ich mir darüber klar werde, was wirklich Grenzen und tiefe Bedürfnisse für mich sind. Ich rede jetzt nicht von alten Erziehungsmustern und Glaubenssätzen, sondern wirklich von persönlichen Grenzen und Bedürfnissen. Ich habe gemerkt, dass ich mich irgendwie verloren hatte. Ich wurde zu einem Attachment-Parenting-Geist!
Attachment-Parenting-Geist?
Ja, ich glaubte, dass die Bedürfnisse meiner Tochter über allem stehen. Ich habe vergessen, dass ich genauso wichtig bin. Ein Stopp zu setzen fiel mir schwer, aber ich versuche es nun täglich. Letzte Woche war ich krank. Ich habe mich oft im Bett ausgeruht. Ich hatte eine Grenze, dass ich nicht mehr konnte und das Bedürfnis nach Ruhe. Ich habe meine Schwester, meinen Mann und meine Eltern und Schwiegereltern um Hilfe gebeten, sich um mein Seidenraupenkätzchen zu kümmern. Mein Mann hat den kompletten Vormittag übernommen. Wir haben in dieser Woche keine Wäsche gewaschen und kaum einen Handschlag im Haushalt gemacht, aber ich habe mich ausruhen können. Ich habe für mich gesorgt. Nach einer Woche war ich fit, obwohl ich kein Medikament eingenommen hatte.
Ich fühlte mich eher bestärkt, als dass ich ein schlechtes Gewissen hatte. Ich bin stolz auf mich, dass ich die ersten Schritte in Richtung Attachment-Parenting-Mama, die Sorge für sich selbst trägt, gegangen bin.
Denn: Es geht beides zusammen! Bindungs-und beziehungsorientiert mit Kindern zu leben und sich selbst nicht zu vergessen.
Es ist keine einseitige Richtung, keine Einbahnstraße! Es ist eine verkehrsberuhigte Zone, in der alle Platz haben.
Ich habe mein Stopp erkannt!!!!
Das Seidenraupenkätzchen hatte eine schöne und abwechslungsreiche Woche. Ich muss dazu sagen, dass sie diese Menschen ja alle sehr gut kennt, mit denen sie die Nachmittage verbringen durfte. Sie hat meinen Frust nicht abbekommen, weil ich krank und überfordert gewesen wäre. Ich habe gelernt, auch auf andere Menschen zu vertrauen. Wir haben in dieser Woche einfach alle etwas gelernt.
Unsere Tochter ist noch klein, wäre sie größer, hätte sie erlebt, dass eine Mama auch mal krank ist und für sich selbst sorgen muss und es auch absolut in Ordnung so ist.
Hätte ich keine Hilfe gehabt, wäre die Sache eine andere.
Wie wäre es dann gewesen?
Ich hätte für mein Kind da sein müssen, aber ich hätte schauen können, dass ich meine Grenzen und Bedürfnisse sehe. Ein Spagat, weil dieses Erkennen erst einmal geübt werden muss.
Hätte sie viel getragen oder viel Körperkontakt haben wollen, wäre ich im Zwiespalt gewesen. Zwiespalt, mit meinem Anspruch der Attachment Mama und dem Bedürfnis nach Ruhe, um zu Kräften zu kommen.
Ich hätte es, glaube ich, erklärt und begleitet, ruhige Spiele gespielt, Termine abgesagt, mich auf die Matratze im Spielzimmer gelegt, Geschichten gelesen oder einfach „nur“ das Spiel des Kindes beobachtet.
Es ist nichts dabei!
Wir sind nicht perfekt! Wir dürfen krank sein und nur 50 Prozent geben. Wir können unsere Grenzen wahren und trotzdem liebevoll und in Beziehung sein! Ich glaube, dass mein Kind keinen Schaden davon trägt, wenn ich sage : „Schatz, ich fühle mich ganz krank und schlapp und möchte jetzt hier auf der Matratze liegen. Möchtest du da drüben klettern oder mit den Bausteinen spielen? Ich sehe dir gern dabei zu.“
Ich glaube, wenn ich so bei mir bin und meine persönlichen und hier ja besonders auch körperlich schaffbaren Grenzen einschätzen kann, dann bin ich authentisch. Dann weiß mein Kind, was hier los ist und spürt die Klarheit in mir.
Es braucht nicht über meine Grenzen zu treten, sie nieder zu treten, weil ich sie selbst nicht spüren möchte oder kann. Kinder zeigen uns oft, was wir nicht mehr fühlen können oder wollen. Sie helfen uns damit, uns mit unseren Gefühlen und Bedürfnissen zu befassen.
Ich sehe immer mehr den Sinn in der Klarheit zu sich selbst. Das hat für mich absolut nichts mit Erziehung zu tun, wenn ich meine persönlichen Grenzen definiere.
Wenn ich es dann noch schaffe, diese auch beziehungsorientiert zu äußern, dann bin ich schon einen ganzen Schritt weiter RICHTUNG Beziehung und weg von der Erziehung.
Eure Leen
4 Kommentare zu “Beziehung statt Erziehung – Haben die Kinder jetzt das Sagen!?”